‘Übersetzung’ und ‘Bekehrung’ sind konzeptionell eng verbunden, da sich beide auf Veränderungs- und Transformationsprozesse beziehen – ob Veränderung von einer Sprachkultur zur anderen, oder von einer Religionskultur zur anderen. Obwohl Veränderung beiden zugrunde liegt, ist nicht immer klar, wie wir untersuchen können, warum und wie die Transformation auftritt. Da beide Fälle von Transformation uns jedoch weitestgehend über die Sprache zugänglich sind, ist es vielversprechend, Übergänge in der Sprachwahl zu untersuchen, die eine Bewegung von einer religiösen Position zu einer anderen begleiten.
Es gibt einige Ausdrücke, die wir gewöhnlich mit der ‘religiösen’ oder sakralen Sphäre verbinden: ‘Gott’, ‘Seele’, ‘Erlösung’, ‘(Heilige) Schrift’ oder ‘Himmel’ und ‘Hölle’ usw. Aber jeder dieser Ausdrücke kann verschiedene Dinge für unterschiedliche religiöse und kulturelle Kontexte bedeuten, ja sogar für verschiedene Untergruppen innerhalb einer Religion. Insbesondere in Übersetzungshandlungen werden konzeptionelle Unverträglichkeiten zwischen religiösen Traditionen offensichtlich, wenn Übereinstimmungen oder Uneinigkeiten zu Bedeutungen sichtbar werden. Was bedeutet es also, wenn wir Ausdrücke als universelle Kategorien verwenden, als ob jedem eine Bedeutung innewohnte, die von einem religiösen Kontext zum anderen übertragen werden kann? Wie verdeutlicht ein Individuum, das bewusst von einem religiösen System zum anderen übergetreten ist, seine ‘Übersetzung’ von einem sprachlich wahrgenommenen Universum zu einem anderen? Was verliert man durch die Übersetzung, was gewinnt man?
Wir gehen der Frage nach, ob religiöse Bekehrung und Selbstverständnis in verschiedenen indischen Sprachen und literarischen Traditionen unterschiedlich ausgedrückt werden und wie diese Unterschiede bei der Übertragung ins Englische oder Deutsche beibehalten oder getilgt werden. So können wir untersuchen, in welchem Ausmaß Unterschiede autobiographischer Traditionen zwischen indischen Literaturtraditionen einerseits und deutschen und englischen Traditionen andererseits den Übersetzungsprozess beschränkten. Wir beabsichtigen diese autobiographischen Erzählungen in Verbindung mit mindestens einer Art der Bekehrungserzählungen zu untersuchen: die Erzählung des Missionars, die weiterhin die ‘offizielle Sicht’ darstellt, flankiert von Statistiken zu Bekehrungen im jeweiligen Gebiet.
Der Vergleich von Übersetzungspraktiken in den vier Sprachen ermöglicht uns, den Aufbau religiöser Grenzen und Schwellen mittels der Auswahl, Veröffentlichung und Verbreitung von übersetzten Bekehrungserzählungen zu erkunden, sowie die Auswirkungen von neuen Technologien und Praktiken in der Geschichte des Buchdrucks in Indien zu hinterfragen. Wir berücksichtigen ebenfalls neue Übersetzungspraktiken, die im kolonialen Indien eingeführt wurden, entscheidend das Verhältnis zwischen indischen Sprachen veränderten (beispielsweise zwischen dem ‘klassischen’ Sanskrit und modernen indischen Sprachen) und traditionelle Muster der Vermittlung religiösen Wissens umgestalteten.
Wenn wir von der Grundannahme ausgehen, dass sprachliche Systeme Vorstellungswelten hervorbringen, in welchem Maß entwickeln sich religiöse Vorstellungen dann unterschiedlich in unterschiedlichen Sprachen? Und wie weit ist es möglich, diese Vorstellungen von einem Sprachsystem in ein anderes zu übersetzen? Da das ‘Heilige’ durch Sprache ausgedrückt und erfahren wird, verlangt ein geteilter Glaube die Einigung auf eine geteilte Sprache. Aber was passiert, wenn – wie im Fall der Bekehrung – ein Einzelner dieselbe Sprache verwendet, um sich auf zwei verschiedene Glaubenssysteme zu beziehen? Erfordert dies lediglich eine Anpassung der Sprachebene? Wenn ein Bekenntnis in einer Sprachebene erfahren wurde, verändert dann der Gebrauch einer anderen Sprachebene die Art der Glaubenserfahrung oder die Beschaffenheit des Bekenntnisses an sich?
Wir werden auch erkunden, ob westliche Übersetzungskonzepte und -praktiken, die in Südasien seit dem 18. Jahrhundert eingeführt worden sind, das Verständnis der Inder vom Verhältnis zwischen religiösem Glaube, Sprache und Identität grundlegend verändert haben.
Wir planen, aus dem Blickwinkel der Übersetzung neue Fragen an die Übertragung religiöser Konzepte und Identitäten in Südasien heranzutragen: Wie haben die von europäischen Gelehrten seit dem 18. Jahrhundert angefertigten Übersetzungen heiliger Texte in und aus indischen Sprachen neue Wege der Entwicklung, Festlegung und Rahmensetzung religiöser Konzepte eingeführt?
Wir sind der Meinung, dass dieser konzeptionelle Aspekt von Übersetzung eine wesentliche Rolle dabei spielt, wie Religionen im indischen Kontext wahrgenommen, verglichen und kategorisiert wurden: ob zentrale Konzepte in andere Sprachen übersetzt werden konnten oder nicht, bestimmte häufig, ob europäische Gelehrte eine Religion als Religion betrachteten.